Schreiben Entscheidungen 0 Kommentare
Jahrelang hat man diesen Traum in sich getragen. Dann kam der Moment, an dem man begann, ihn in die Tat umzusetzen, und dann ist es da, das erste Buch. Ich habe keine Kinder, aber ich kann mir vorstellen, dass der Moment, das erste Buch in der Hand zu halten, in der Rangfolge dicht hinter der Geburt eines Kindes folgt. Genau wie jedes Baby schön ist, ist dieses erste Buch natürlich dafür geschaffen, die Welt zu erobern. Das hat in beiden Fällen die Natur geschickt so eingerichtet. Doch dann trifft das Buchbaby auf die Welt und alles ist anders.
Wenn das erste Buch auf die Buchwelt trifft
Heute Morgen, ich war gerade bei meiner zweiten Latte macchiato angelangt, klingelte das Telefon. Eine Frau meldete sich und berichtete, dass sie auf meinen Blog gestoßen sei und dort meine Telefonnummer gefunden habe. Dann erzählte sie ihre Geschichte. Dass sie ein Kinderbuch geschrieben habe, das gerade im Druck sei. Dass es ein ganz besonderes Kinderbuch sei und dass sie die Illustrationen schon einen größeren Geldbetrag gekostet haben. Dass sie alle Barsortimenter angeschrieben und gebeten habe, ihr Buch in ihre Listung aufzunehmen, und nur Absagen erhalten hat. Nun fragte sie mich, wie sie dafür sorgen könnte, dass der Buchhandel ihr Buch dennoch bestellen könne.
Ich nahm einen Schluck von meiner Latte und begann, das zu tun, was mir sehr schwerfällt, aber in dieser Situation unumgänglich ist. Ich musste ihr die Illusionen nehmen.
Setze nicht alles auf das erste Buch.
Bei vielen ist das erste Buch die Verkörperung der einen Geschichte, die schon seit Jahren in einem brodelt. Nicht selten ist sie sogar autobiographisch geprägt oder enthält das gesamte Wissen des bisherigen Lebens. Dieses Buch ist ein Teil von einem.
In dem Fall der Anruferin ist dieses Buch womöglich sogar das einzige, das sie je schreiben wird. Welche eine Bürde für dieses kleine Buch.
Wenn ich eines durch harte Erfahrungen der letzten beinahe zehn Jahre lernen musste, dann, dass der Weg zum Erfolg am Buchmarkt ein Langstreckenlauf ist. Ein Marathon ist ein Spaziergang dagegen. Das eine Autorin oder ein Autor mit nur einem Buch gleich an die Spitze stürmt, ist in etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Gut, es gewinnen jede Woche Menschen im Lotto, aber meine Zukunft und die meines Babys würde ich nicht darauf ausrichten.
Zudem gibt es einen weiteren Grund, das erste Buch etwas weniger enthusiastisch zu betrachten. Das erste Buch ist nur ganz selten auch das beste Buch, das man schreiben kann. Wie in jedem Beruf muss man auch beim Schreiben sein Handwerk lernen und trainieren. So schön also das erste Baby in den eigenen Augen erscheinen mag, es könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit noch schöner werden. Daher mein Tipp: Lege dein erstes Buch in die Schublade und schreibe ein zweites Buch.
Warum du dein erstes Buch weglegen solltest.
Mit meinem ersten Buch ist es mir genauso ergangen, wie ich es oben geschildert habe. Natürlich habe ich damals auch alle Wege beschritten, um es an die Leserinnen und Leser zu bringen. Ich erinnere mich noch mit gemischten Gefühl aus Belustigung und Peinlichkeit an meine strategische Herangehensweise bei der Verlagssuche. Aus heutiger Sicht vollkommen verrückt, was ich damals so anstellte. Die Aktionen waren natürlich auch nicht von Erfolg gekrönt. Aber dafür muss ich sogar dankbar sein. Denn dadurch habe ich dieses Manuskript in die Schublade gelegt und begonnen, weitere Bücher zu schreiben.
Die Bücher, die nach meinem Erstling entstanden, halfen mir, zu lernen, mir mein Netzwerk und im bescheidenen Rahmen einen Namen aufzubauen. Dies führte dann dazu, dass mein erstes Baby doch das Licht der Welt erblicken konnte. Okay, nur in einem kleinen Verlag, der kurz darauf ins Straucheln geriet, und somit meinem Baby auch nicht zum Erfolg verhalf. Aber ein weiteres Ergebnis dieses Weges war, dass es mich nicht mehr so hart traf. Ich hatte doch längst meine kleinen Erfolgserlebnisse als Autorin und dieses erste Buch war einfach nur noch das i-Tüpfelchen. Jedes Baby ist einem natürlich stets wichtig, doch wenn es nur noch ein es von bald zehn Kindern ist, relativiert sich alles.
Das erste Buch also erst einmal wegzulegen ist daher ganz gewiss kein Aufgeben dieses Herzensprojekt. Es ist vielmehr das angemessene Warten auf den besten Zeitpunkt, an dem die Welt dafür bereit ist.
Mein Baby "Wunschleben" wird übrigens im Herbst in einer überarbeiteten Neuauflage auf den Markt kommen. Dann wird ein größerer Verlag dahinter stehen. Ich sitze gerade an der Überarbeitung und kann daher schon sagen, dass es ein viel besseres Buch werden wird, als es zu Beginn war. So, wie es dem Herzensprojekt eben auch angemessen ist.
Meine Tipps für dein erstes Buch
- Fokussiere nicht alle Erwartungen auf dieses eine Buch.
- Lege es weg und schreibe das nächste Buch.
- Freue dich, wenn du erste Leserinnen und Leser erreicht hast.
- Denke nicht gleich an Charts und Hitlisten.
- Siehe dein erstes Buch als ersten Schritt in eine neue Welt.
In der Folge 65 „Das erste Buch schreiben: Unser Rat ans Debüt-Ich“ unseres Podcasts „Die Zwei von der Talkstelle“ haben Tamara Leonhard und ich uns näher mit unseren Lehren aus der Veröffentlichung des ersten Buches ausgetauscht. Höre mal rein.
Was ich der Anruferin geraten habe
Der heutigen Anruferin habe ich dann auch geraten, ihre Erwartungen nicht zu hoch anzusetzen und stattdessen nicht die kleinen, schönen Momente aus den Augen zu verlieren, die sie ganz gewiss haben wird. (Siehe meine Liste der schönen Momente) Sie kann in ihrem beruflichen Umfeld Kontakte zur Zielgruppe ihres Buches knüpfen und darüber einen ersten Leserkreis aufbauen. Sie kann sicherlich in ihrer Umgebung den Buchhandel persönlich ansprechen. Es gibt also erste Schritte, die sie gehen kann und die ihr gewiss Erfolgserlebnisse, aber eben auch Rückschläge bescheren werden. So, wie es einem Kind eben widerfährt, wenn es in die Welt hinausgeht..
Jetzt auch zum Hören!
Alle Themen aus meinem Blog und noch viel mehr gibt es ab sofort auch auf die Ohren im neuen Podcast "Die Zwei von der Talkstelle". Gemeinsam mit Tamara Leonhard gibt es alles rund um das Schreiben, Lesen, Leben und was uns sonst noch so einfällt.
Jetzt reinhören!
Mehr Lesestoff
Diese Artikel könnten dich interessieren
Innocent-Award – ich bin nominiert!
Als das E-Mail kam, habe ich es zuerst für eines der üblichen SPAM-Nachrichten gehalten. Aber nach einem zweiten Blick stellte es sich als wahr heraus. Mein Buch ‚Frau Appeldorn und der tote...
Zum ArtikelOhne Verlage sind wir nichts wert
Im letzten Monat wurde der Deutsche Verlagspreis von unserer Kulturstaatsministerin Claudia Roth vergeben. Im Umfeld dieser Vergabe kam die Forderung der Verlage nach einer strukturellen Verlagsförder...
Zum ArtikelMein erstes Hörbuchprojekt mit Royalty Share
Vielleicht erinnerst du dich noch daran. Vor einigen Jahren hatte ich die Idee, ein Hörbuch zu „Tote Models nerven nur“ zu produzieren. Um die notwendigen Mittel dafür zusammenzube...
Zum ArtikelDas neue Buch will gefeiert werden
Es ist wieder so weit. Mein neues Buch steht in den Startlöchern. Es ist das neue Abenteuer meiner Detektivin Sabine ‚Biene‘ Hagen aus Grefrath am Niederrhein. Ab 23. Juli wird es überall erhältlich s...
Zum ArtikelWie finde ich den richtigen Buchtitel?
Es sollte ein schöner Moment sein. Der neue Krimi ist im Lektorat. Die Veröffentlichung kommt näher. Doch es gibt etwas, das mir die Freude gründlich verhagelt. Ich muss den passenden Titel für mein n...
Zum Artikel